30. Januar 2019

Was steckt in einem Namen?

Vor ein paar Wochen brauchte ich neues Waschmittel, und so suchte ich meine örtliche Penny-Filiale auf. Der Discounter ist vor allem für seine vielen günstigen Handelsmarken bekannt. Das Angebot der Woche trug einen interessanten Namen: „Pallor“. Ich lachte in mich hinein. Das englische Substantiv „pallor“ bezeichnet die tödlich-blasse Farbnuance der Haut eines Leichnams. Eine mögliche Übersetzung wäre „Leichenblässe“! Wer war nur die Zielgruppe – modebewusste Zombies?

Beim besten Willen keine gute Assoziation für ein Waschmittel. Jemand muss wohl der Auffassung gewesen sein, in dem Begriff eine Alternative zu „Paleness“, der harmlosen Substantivform von „Pale“ (engl. für farblos/bleich), zu finden. Keine große Sache, nehme ich an, zumal diese Marke nicht in Großbritannien oder den USA verkauft wird.

Mit einem frischer klingenden Waschmittel im Wagen fing ich vor der Kasse an, über die Namensgebung globaler Unternehmen nachzudenken. Internationalen Waschmittelherstellern würde ein solcher Fauxpas sicherlich nie passieren. Moment mal, ist „Persil“ nicht auch eine internationale Marke? Und bedeutet „Persil“ im Französischen nicht „Petersilie“? Warum wirbt eine internationale Waschmittelmarke mit einem aromatischen Küchenkraut? Handelt es sich hierbei um eine extreme Form von „Greenwashing“? Es war Zeit für etwas Recherche – aber selbstverständlich erst nach der Wäsche.

Greenwashing

„Greenwash“ ist ein zusammengesetztes Wort, das sich von „Whitewash“ (engl. für Schönfärberei) ableitet und in den 1980er Jahren durch den Umweltaktivisten Jay Westerveld in New York geprägt wurde, als dieser erkannte, dass einige Unternehmen den Begriff „grün“ für ihre Werbekampagnen missbrauchten, um sich einen umweltfreundlicheren Anstrich zu geben.

Persil, das erste selbsttätige Waschmittel der Welt, wurde am 6. Juni 1907 von dem Düsseldorfer Unternehmen Henkel & Cie entwickelt und hat trotz der naheliegenden französischen Interpretation nicht im geringsten mit Petersilie zu tun. Vielmehr prosaisch entstand der heute bekannte Markenname durch eine Kombination von sechs Buchstaben aus den Namen der ursprünglichen Inhaltsstoffe, Natriumperborat und Natriumsilikat.

Um Missverständnisse zu vermeiden, wird Persil in Frankreich unter einem anderen Namen vertrieben. Welche Alternative haben sich die Hersteller ausgedacht? Nun, sie entschieden sich für einen Tiernamen und nannten das Produkt „Le Chat“ – die Katze. Ist doch logisch, n’est-ce pas?

In gewisser Weise schon, wenn wir die gesamte Geschichte betrachten. Sie beginnt in Marseille, einer Stadt, die seit Jahrhunderten für ihre Savons de Marseille, unparfümierte Wäschewürfel aus grüner und weißer Seife mit Oliven- und reinen Pflanzenölen, bekannt ist. Eine der bekanntesten Marken war Le Chat mit einer niedlichen roten Katze als Markenzeichen. Durch verschiedene Geschäftsvorhaben erwarb Henkel die Rechte an dem Namen.

Aber damit endet die Geschichte noch nicht. Warum wird ein Stück Seife nach einer kleinen roten Katze benannt? Die Katze ruft mit Sicherheit bessere Assoziationen hervor als Leichenblässe und erinnert vielleicht sogar an das weiche und flauschige Gefühl frisch gewaschener Kleidung. Trotzdem erscheint mir der Zusammenhang bestenfalls dürftig.

Ich suchte weiter und fand schließlich eine plausible Erklärung. Savon de Marseille war ein begehrtes Produkt, teuer in der Herstellung und strengen Produktionsvorschriften unterworfen. Schon bald versuchten zweifelhafte Hersteller, das Original zu imitieren. Und so kam eine Vielzahl gefälschter Seifenprodukte in den Umlauf und überschwemmte den Markt. Ein traditioneller Hersteller wollte seine Kunden vor diesen Fälschungen warnen. Seine Kunden sollten sich ähnlich wie schlaue Katzen verhalten – stets auf der Lauer liegend und Ausschau nach ihrer Beute, der gefälschten Seife, haltend. So entstand die Marke Le Chat als Symbol für den umsichtigen Verbraucher, der sich nicht von billigen Copycats (engl. für Nachahmer) täuschen lässt. Vielleicht sollte ich nächstes Mal doch zu einem Markenwaschmittel greifen?

© Carole Eilertson

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